Die Bundeswehr in Heide
Die Bundeswehr residierte insgesamt 33 Jahre in Heide - eine lange Zeit. 1961 kaufte die Bundeswehr das ca. 12.000 m² große Gelände mit den darauf befindlichen Gebäuden für 900.000 DM von dem Sektenführer Paul Schäfer. Der Kauf wurde über Mittelsmänner abgewickelt, da sich Paul Schäfer in einer Nacht- und Nebelaktion schon nach Chile abgesetzt hatte. Es lag ein Haftbefehl wegen Kindesmissbrauchs gegen Schäfer vor. (Mehr in der Dokumentation "In Heide gründete Paul Schäfer seine Schreckensherrschaft").
Im Februar 1962 bezog die 3. Kompanie des Wachbataillons die Liegenschaft. Stabsfeldwebel a.D. Günter Christiansen erinnert sich: "Vier Tage benötigten die Soldaten, um das alte Barackenlager in der Brückberg-Kaserne endgültig hinter sich zu lassen und in Heide eine neue, freundliche Unterkunft zu beziehen. Der Empfang durch die Bevölkerung war sehr herzlich, und die Soldaten sind überall gerne gesehen. Die Liegenschaft besteht aus einem Hauptgebäude, einem Bungalow und einem Schwedenhaus als Unterkunft, sowie einer Schirrmeisterei mit KFZ-Waschplatz in einer parkähnlichen Anlage. Im unteren Teil befinden sich Schleppdächer als Abstellplatz für die Dienstfahrzeuge. Zur Formalausbildung marschiert die Kompanie in den Wald. Ein etwa 400 m langer asphaltierter Waldweg ist der neue Exerzierplatz der Heide-Gardisten. Bei Vogelgezwitscher und gesunder Waldluft klappt der Griff besonders gut."
Von 1973 bis 2002 hatte der "Generalarzt der Luftwaffe" seine Dienststelle auf dem Gelände.
Wieder verkauft wurde das Gelände für 1 Mio. Euro an ein Siegburger Bauunternehmen. Nach einigen Jahren Leerstand und einem Brand im Sommer 2007 wurde das Hauptgebäude sehr geschmackvoll und passend zur Umgebung umgestaltet, so dass von seiner Vergangenheit kaum noch etwas zu erkennen ist. Im hinteren Teil des Geländes entstanden freistehende Einzelhäuser.
Information
Quellenangabe
Festschrift 50 Jahre 3. Kompanie WachBtl BMVg
Christoph Kämper (http://www.pigasus.de/lost/)
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Gerd AlbusZuletzt angesehen: | 28.09.2023, 23:17 |
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Querverweise
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Es ist nicht von der Hand zu weisen - die Soldaten der 3. Kompanie des Wachbataillons der Bundeswehr genießen in ihrer Außenstelle Heide eine angenehme Zeit. Abseits der Hauptstelle Siegburg-Brückberg leben sie hier in idyllischer Landschaft am Waldesrand, mit parkähnlicher Anlage und Tennisplatz. Was jetzt nur noch fehlt ist ein adäquater Swimmingpool. Der Kompaniechef Hauptmann von Prondzynski nimmt die Sache selbst in die Hand. Er plant, leitet und organisiert die Bauarbeiten, um am Ende seinen Soldaten ein eigenes Schwimmbad zur Erholung in der Freizeit anbieten zu können.
Da das Bauvorhaben nicht offiziell ist, müssen sowohl die Besorgung des Materials als auch die Bauarbeiten in Eigenleistung erfolgen. Sand gibt es in Heide genug, Wasser auch. Der Zement wird teilweise bei den Eigenheimbauten gekauft, die in Heide gerade wie Pilze aus dem Boden schießen. Nach und nach entsteht in der Mitte der Parkanlage ein wunderschönes Schwimmbad.
Am 12. September 1966 findet die Einweihung statt. In voller Montur macht der Kompaniechef den schon legendären Kopfsprung in das neue 20-Meter-Schwimmbecken und trinkt dort ein Glas Sekt auf das Wohl seiner Kompanie.
Auch seine beiden Kompanieoffiziere, die Oberleutnante Schwabe und Flohr, müssen den Sprung ins Wasser wagen, um mit dem Chef in der Mitte des Bades anzustoßen.
Paul Schäfer, 1921 in Troisdorf geboren und nach dem Krieg Jugendpfleger der evangelischen Kirche, wurde 1949/50 entlassen, nachdem Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs laut wurden. Ein Prozess fand aber nicht statt. Schäfer zog als Prediger durchs Land. In Lohmar-Heide entstand 1958 das Gemeinschaftshaus und ein sogenanntes Jugendheim der von Schäfer gegründeten Sekte, der "Privaten Socialen Mission". Hinter den Mauern des angeblichen Waisenhauses begann eine Schreckensherrschaft. Die Sektenmitglieder mussten Schäfer intimste Details beichten, ihre familiären Bindungen aufgeben und wurden auch finanziell ausgebeutet.
Das Haus in Heide wurde u.a. mit Hunden bewacht, um eine Flucht zu verhindern. Das Grundstück war komplett eingezäunt, das Eingangstor immer verschlossen. Es gab keine Kommunikation mit der Heider Bevölkerung. Nur wenige durften nach Anmeldung das Gelände betreten und das nur unter Aufsicht. Dazu gehörte der damalige Postbote Karl-Heinz Salgert, aber auch Alfred Bergmann, der mit einem der jungen Sektenmitglieder nach Birk in den Konfirmationsunterricht ging. Die Kinder sah man häufig auf den damals noch unbebauten Feldern, wenn sie Gänse hüteten. Sie hielten sich von der Bevölkerung fern, sprechen konnte man mit ihnen nicht.
1961 wurde ein Haftbefehl gegen Schäfer wegen Kindesmissbrauchs erlassen, von dem er aber informiert wurde. Er und über 200 Mitglieder der Sekte verließen Deutschland fluchtartig in Richtung Chile, bevor der Haftbefehl vollstreckt werden konnte. Den Eltern einiger Kinder wurde eine Chorfahrt vorgespielt. Die "Private Sociale Mission" konnte bis 1989 in Siegburg über ihre Läden weiterhin Geld einnehmen und nach Chile transferieren, soll aber auch im Waffenhandel aktiv gewesen sein. Als Verein wurde sie erst 1995 abgemeldet.
In Chile gründete Schäfer die Colonia Dignidad ("Würde"), in der die Sektenmitglieder weiterhin ausgenutzt, misshandelt und missbraucht wurden. Auch Kinder der chilenischen Bauern der Umgebung wurden entführt, zwangsadoptiert und missbraucht. Durch Fürsprecher in der deutschen wie der chilenischen Politik konnte sich Schäfer aber lange der Verfolgung widersetzen. Nach dem Pinochet-Putsch 1973 diente die Colonoia Dignidad auch dem chilenischen Geheimdienst als Folterzentrum für Regimegegner, von denen in der Colonia auch viele ermordet wurden. Erst mit dem Ende der Diktatur bröckelte die Fassade, insbesondere nachdem auch in Chile mehrere Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern erstattet worden waren. Schäfer gelang wiederum die Flucht, dieses Mal nach Argentinien. Acht Jahre später wurde er 2005 in Buenos Aires verhaftet und nach Chile ausgeliefert, wo er 2006 dann zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde; 2010 starb er mit 88 Jahren im Gefängnishospital.
Die Rolle der Colonia Dignidad zwischen chilenischem Militär, deutschen und chilenischen Politikern und Geheimdiensten, Waffenhändlern und als Zufluchtstätte alter Nazis und rechter Terroristen ist bis heute ungeklärt. 2016 lief der Film "Colonia Dignidad" mit Emma Thompson im Kino an, der die Zusammenarbeit mit dem chilenischen Geheim-dienst thematisiert.
(Nach Informationen von Christoph Kämper, www.pigasus.de und Gerd Albus)
Zugehörige Begebenheiten
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1962
Der Tod eines MaskottchensEin Drama mit Happy End Im Februar 1962, nach dem Umzug 3. Kompanie von Siegburg-Brückberg in die neue Unterkunft in Lohmar-Heide, übergaben die Unteroffiziere des Bataillons anlässlich eines Umtrunks denen, die nun in Lohmar-Heide wohnten oder dienten, ein Maskottchen in... Im Februar 1962, nach dem Umzug 3. Kompanie von Siegburg-Brückberg in die neue Unterkunft in Lohmar-Heide, übergaben die Unteroffiziere des Bataillons anlässlich eines Umtrunks denen, die nun in Lohmar-Heide wohnten oder dienten, ein Maskottchen in Gestalt einer kleinen männlichen Bergziege mit Namen „Moritz. Die Bataillonsunteroffiziere übergaben das Tier, wohl mit frommen Wünschen, in die Obhut eines Soldaten der Kompanie. |