Paul Schäfer, 1921 in Troisdorf geboren und nach dem Krieg Jugendpfleger der evangelischen Kirche, wurde 1949/50 entlassen, nachdem Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs laut wurden. Ein Prozess fand aber nicht statt. Schäfer zog als Prediger durchs Land. In Lohmar-Heide entstand 1958 das Gemeinschaftshaus und ein sogenanntes Jugendheim der von Schäfer gegründeten Sekte, der "Privaten Socialen Mission". Hinter den Mauern des angeblichen Waisenhauses begann eine Schreckensherrschaft. Die Sektenmitglieder mussten Schäfer intimste Details beichten, ihre familiären Bindungen aufgeben und wurden auch finanziell ausgebeutet.
Das Haus in Heide wurde u.a. mit Hunden bewacht, um eine Flucht zu verhindern. Das Grundstück war komplett eingezäunt, das Eingangstor immer verschlossen. Es gab keine Kommunikation mit der Heider Bevölkerung. Nur wenige durften nach Anmeldung das Gelände betreten und das nur unter Aufsicht. Dazu gehörte der damalige Postbote Karl-Heinz Salgert, aber auch Alfred Bergmann, der mit einem der jungen Sektenmitglieder nach Birk in den Konfirmationsunterricht ging. Die Kinder sah man häufig auf den damals noch unbebauten Feldern, wenn sie Gänse hüteten. Sie hielten sich von der Bevölkerung fern, sprechen konnte man mit ihnen nicht.
1961 wurde ein Haftbefehl gegen Schäfer wegen Kindesmissbrauchs erlassen, von dem er aber informiert wurde. Er und über 200 Mitglieder der Sekte verließen Deutschland fluchtartig in Richtung Chile, bevor der Haftbefehl vollstreckt werden konnte. Den Eltern einiger Kinder wurde eine Chorfahrt vorgespielt. Die "Private Sociale Mission" konnte bis 1989 in Siegburg über ihre Läden weiterhin Geld einnehmen und nach Chile transferieren, soll aber auch im Waffenhandel aktiv gewesen sein. Als Verein wurde sie erst 1995 abgemeldet.
In Chile gründete Schäfer die Colonia Dignidad ("Würde"), in der die Sektenmitglieder weiterhin ausgenutzt, misshandelt und missbraucht wurden. Auch Kinder der chilenischen Bauern der Umgebung wurden entführt, zwangsadoptiert und missbraucht. Durch Fürsprecher in der deutschen wie der chilenischen Politik konnte sich Schäfer aber lange der Verfolgung widersetzen. Nach dem Pinochet-Putsch 1973 diente die Colonoia Dignidad auch dem chilenischen Geheimdienst als Folterzentrum für Regimegegner, von denen in der Colonia auch viele ermordet wurden. Erst mit dem Ende der Diktatur bröckelte die Fassade, insbesondere nachdem auch in Chile mehrere Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern erstattet worden waren. Schäfer gelang wiederum die Flucht, dieses Mal nach Argentinien. Acht Jahre später wurde er 2005 in Buenos Aires verhaftet und nach Chile ausgeliefert, wo er 2006 dann zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde; 2010 starb er mit 88 Jahren im Gefängnishospital.
Die Rolle der Colonia Dignidad zwischen chilenischem Militär, deutschen und chilenischen Politikern und Geheimdiensten, Waffenhändlern und als Zufluchtstätte alter Nazis und rechter Terroristen ist bis heute ungeklärt. 2016 lief der Film "Colonia Dignidad" mit Emma Thompson im Kino an, der die Zusammenarbeit mit dem chilenischen Geheim-dienst thematisiert.
(Nach Informationen von Christoph Kämper, www.pigasus.de und Gerd Albus)