Kaiserzeit & Zeit nach dem 1. Welkrieg
Enthaltene Objekte
Dokumente
Die Separatistenbewegung in der Ostukraine, die 2014 zwei international nicht anerkannte Republiken ausrief und am 21.02.2022 wenige Tage vor dem Großangriff von Russland anerkannt wurden, lässt einige Assoziationen aufkommen zu den Separatisten im... Die Separatistenbewegung in der Ostukraine, die 2014 zwei international nicht anerkannte Republiken ausrief und am 21.02.2022 wenige Tage vor dem Großangriff von Russland anerkannt wurden, lässt einige Assoziationen aufkommen zu den Separatisten im Rheinland – auch in Lohmar –, die vor hundert Jahren die „Rheinische Republik“ proklamierten. Die 1920er Jahre werden zwar die „Goldenen Zwanziger“ genannt. Der wirtschaftliche Aufschwung und die politische Stabilität begannen allerdings erst Mitte der 1920er. Zuvor war es eine Zeit der Krisen nach dem 1. Weltkrieg besonders in den besetzten Gebieten im Rheinland. Nachdem am 6. Dezember 1918 die letzten deutschen Truppen auf ihrem Rückmarsch von der Westfront den Lohmarer Wald passiert hatten, nahmen bereits eine Woche später englische und kanadische Truppen Quartier in Lohmar. Am 3. Februar 1919 zieht ein englischer Brigadestab für ein paar Tage in die Villa Maruschka (Park Lohmarhöhe) ein. Auf dem Ziegelfeld wird für 2 Millionen Mark ein Waldlager für die Besatzer eingerichtet. Anfang 1920 folgen französische und später marokkanische Besatzungstruppen. Die Beziehungen der Lohmarer Bevölkerung zu den Franzosen und Marokkanern sind schlecht. Die Besetzung des Ruhrgebietes 1923 durch die Franzosen und Belgier hatte verheerende ökonomische Folgen. In Berlin wurden Pläne diskutiert, das Rheinland „versacken“ zu lassen und den Besatzungsmächten die Verantwortung zu übertragen. Dies löste 1923 Putschversuche von Separatisten aus mit dem Ziel, eine Rheinische Republik zu gründen. Die Putschisten, die vorübergehend zahlreiche Rathäuser und Regierungsgebäude besetzt hatten, scheiterten letztlich am Widerstand der Bevölkerung. Der national gesonnenen Bevölkerung erschien die Idee der Separatisten, eine Aussöhnung mit dem Erzfeind Frankreich herbeizuführen als Hochverrat. In Lohmar kam es am 23. Oktober 1923 im Bertelsbeck`schen Haus (Pützerhof, Kirchstraße 37) zu einer bewaffneten Auseinandersetzung. Etwa 30 Separatisten hatten sich hier verschanzt. Sie wurden von allen Seiten von jungen Männern, die sich mit Knüppeln, Sensen und Dreschflegeln bewaffnet hatten, angegriffen. Die Separatisten eröffneten das Feuer und verletzten vier Personen zum Teil schwer. Sie flüchteten anschließend in das Franzosenlager am Ziegelfeld. Der Separatismus in unserem Raum endete mit der Schlacht bei Aegidienberg am 15./16. November 1923.
| |
|
1919
- 1926 Nach dem Ende der Kampfhandlungen des 1. Weltkrieges durch das Waffenstillstandsabkommen von Compiegne am 11. November 1918 und noch während der Gespräche über den Versailler Friedensvertrag marschierten erste britische Besatzungstruppen am 12.... Nach dem Ende der Kampfhandlungen des 1. Weltkrieges durch das Waffenstillstandsabkommen von Compiegne am 11. November 1918 und noch während der Gespräche über den Versailler Friedensvertrag marschierten erste britische Besatzungstruppen am 12. Dezember 1918 in Lohmar ein. Einen Tag später folgten Kanadier, die als Mitglieder des Commonwealth an der Seite der Briten gekämpft hatten. Anfang 1920 wurden sie von den Franzosen abgelöst, da durch den im Juni 1919 unterzeichneten Versailler Friedensvertrag Frankreich als Besatzungsmacht die Besetzung des Kölner Raumes (Brückenkopf Köln) übertragen wurde. Sieben Jahre bis 1926 blieb Lohmar besetzt. Eine der ersten Amtshandlungen des britischen Kommandeurs war, statt der bestehenden mitteleuropäischen Zeit die in Großbritannien geltende westeuropäische Zeit einzuführen: Am Freitag, den 13. Dezember 1918 waren alle Uhren um eine Stunde zurückzustellen. Für die Zivilbevölkerung gab es eine Fülle von Einschränkungen durch die Besatzer, wie nächtliche Ausgangssperre, Briefzensur, Verkehrsverbot ins unbesetzte Reichsgebiet, Versammlungsverbot etc. Für die Durchführung und Überwachung wurden die Kommunalbehörden beauftragt. Dazu wurde eigens ein Besatzungsamt eingerichtet. Die Lohmarer Bevölkerung empfand die Besatzungszeit, in der es ihr ohnehin durch die Inflation sehr schlecht ging, als Schmach. Zwischen den einfachen Soldaten in den Privatquartieren und der Zivilbevölkerung entwickelte sich ein entspanntes und manchmal freundschaftliches Verhältnis. Im Frühjahr 1919 begann der Bau eines Barackenlagers im Wald am Ziegelfeld für ca. 1.000 Soldaten. Die Kosten beliefen sich auf 2 Millionen Mark. Der Wirt des Schützenhauses in Siegburg, August Piotter, errichtete in einer Baracke seine „Waldschenke“, die auch zur Zeit der Briten von Bürgern besucht wurde. In der Nähe des Waldlagers in den Widdauer Wiesen wurde eine Sportanlage mit einer 500 m Umlaufbahn errichtet, die auch die Sportler des Siegburger Turnvereins nutzten. In einem Beitrag für die Lohmarer Heimatblätter 1999 berichtet der am 14. Februar 2022 verstorbene Heimatkundler und langjährige Lohmarer Realschullehrer Hans Warning ausführlich über die Besatzungszeit, siehe Dokument.
|
Bilder
Ludwig Polstorff wurde 1862 in Güstrow (Mecklenburg-Schwerin) geboren, ging nach dem „Einjährigen“ zum preußischen Militär und wurde 1885 ins Rheinland versetzt. 1892 heiratete er hier seine Frau Auguste Diederichs. Er war evangelisch, sie katholisch; daher mußte er aus der Armee austreten. Mit seiner Ehefrau hatte er drei Kinder, die er katholisch erziehen ließ. Von 1896 bis 1906 war Ludwig Polstorff Bürgermeister in Zerf bei Trier und kam 1906 nach Lohmar, wo er vom 1.4.1906 bis zum 31.12.1927 ebenfalls das Amt des Bürgermeisters ausübte. Hier baute er an der Hauptstraße (heute Nr. 25) ein neues Bürgermeisteramt, das 1908 bezogen wurde. Er sorgte für eine zentrale Wasserversorgung und für Gas und Strom in Lohmar, nahm teil am passiven Widerstand gegen die französische Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg und wurde deshalb als missliebige Person für 1½ Jahre ausgewiesen. Ludwig Polstorff hat sich nicht nur in seinem Amt, sondern auch um die Minderheit der evangelischen Einwohner verdient gemacht. (Quelle: Festschrift der Evangelischen Kirchengemeinde Lohmar, Lohmar 1989, Seite 39ff.) Am 6.12.1906 hat Polstorff den „Bienenzuchtverein Lohmar und Umgegend e.V.“ gegründet und war bis 1943 deren Vorsitzender. Ferner gründete er am 9.6.1909 den „Kreisbienenzuchtverband Sieg“ und blieb deren Vorsitzender bis 1946.
Zu sehen ist ein Kraftomnibus um 1912 auf der Zeithstraße an der Haltestelle Neuenhaus (gegenüber Hochhausen). Der Bus ist auf dem Weg von Siegburg nach Much. Für die Strecke benötigte er ungefähr 1,5 Stunden. Neben den Fahrgästen wurden auch Briefe und Pakete befördert. Der Fahrer steht voller Stolz an seinem Fahrzeug. Der motorbetriebene Bus war in dieser Zeit eine Sensation, denn bis etwa 1910 fuhren auf der Strecke noch Pferdekutschen. Das Fahrzeug hat Rechtslenkung, Karbidlampen und Vollgummibereifung. Das Kennzeichen IZ steht für Rheinprovinz. Das Fachwerkhaus im Hintergrund ist die Gaststätte Matthias, später Peter Weber und zugleich die Postagentur für Birk. Links war die Gaststätte, rechts das Postbüro.
Johann Josef Dunkel und seine Ehefrau Anna Maria, geb. Kemmerich hatten sieben Söhne und vier Töchter. Etwa 1912 haben sich die Eltern mit ihren Söhnen, die alle beim Militär waren, fotografi eren lassen. Damals war man sehr patriotisch eingestellt, aber sieben Soldaten aus einer Familie war auch zu dieser Zeit eine Seltenheit. Eine Schar Söhne, die natürlich dem Kaiser zu dienen hatte, war der ganze Stolz einer Familie. Die Barttracht Kaiser Wilhelms II. war, wie auch auf dem Foto, Vorbild für viele jungen Leute.
Der damalige Bürgermeister Ludwig Polstorff hat in seiner „Chronik der Landbürgermeisterei Lohmar“ auf Seite 111 vermerkt, dass der „Kameradschaftlicher Verein Lohmar“ seiner Majestät dem Kaiser einen Abzug von diesem Foto geschickt habe und daraufhin dem Johann Josef Dunkel im August 1912 das Allgemeine Ehrenzeichen in Silber verliehen wurde. Damals wurden die jungen Männer in der Regel mit zwanzig Jahren für zwei Jahre eingezogen. Danach erfolgten Reserveübungen von vier Wochen und ab dem 30. Lebensjahr Landwehrübungen von vierzehn Tagen. (Quelle: Wolfgang Schafhaus, Lohmar in alten Ansichten, Zaltbommel/Niederlande 1977, Bild 24.)
Der Text auf den beiden Pfeifenköpfen aus Porzellan erklärt, dass die beiden Söhne Jakob und Peter ihrem Vater Johann Josef Dunkel (geb.1853) jeweils zum Andenken einen Pfeifenkopf geschenkt haben. In der Zeit von 1870 - 1913 war es bei den Soldaten Brauch, sich Erinnerungstücke an ihre Dienstzeit (sogenannte Reservistika) anfertigen zu lassen. Soldaten genossen in dieser Zeit beim Volk großes Ansehen. Man war stolz darauf, für das "Vaterland gedient" zu haben.
Johann Josef Dunkel (Hannjupp) war Soldat im Füsilier-Regiment "Fürst Karl-Anton von Hohenzollern" Nr. 40 und später Fabrikarbeiter im Feuerwerkslaboratorium in Siegburg. Alle sieben Söhne waren beim Militär. Jakob Dunkel (geb.1875) war im Infanterie-Regiment "von Goeben" 2. Rheinisches Nr. 28 und Peter Dunkel (geb. 1888) gehörte dem 10. Rheinischen Infantrie-Regiment Nr. 161 an. Hannjupp stammte aus Kriegsdorf und war mit Anna Maria, geb.Kemmerich aus Lohmar verheiratet. Sie zogen mit 11 Kindern 1890 in das Kemmerichs Häuschen auf der Kieselhöhe 13. Der Fachwerkkotten hatte eine winzige Küche, eine Wohnstube, ein Flürchen mit einer schmalen, steilen Treppe zu drei niedrigen Dachkämmerchen. Hier war die Urzelle der zahlreichen Lohmarer Dunkels.
Zeltlager der englischen Besatzungssoldaten um 1919 an der Donrather Agger bei Pützrath. Einer der Soldaten schrieb seine Adresse auf die Rückseite der Karte: Charles Alfred Hill, 3 Dany Sorrace, Bells Hill, High Baret, London, England; ein anderer seine: George Albert Hall, 31 Church Rd, Lower Murston, Sittingbourne, Kent, England. Abgeschickt wurde die Karte allerdings nie, da Grüße oder ein sonstiger Text in Gänze fehlen.
Die Ehrentafel mit 103 Gefallenen oder Vermissten und 240 Soldaten, die den Krieg überlebten, wurde auf einem Wahlscheider Flohmarkt erworben und ist im Besitz von Dierk und Evi Meyer, Neuhonrath. Der langjährige Hauptamtsleiter der Gemeinde und späteren Stadt Lohmar, Horst Nieß, kann sich erinnern, bei Aufräumarbeiten im Wahlscheider Rathaus im Zuge der kommunalen Neuordnung 1969, auch eine solche Ehrentafel vorgefunden zu haben. Der Spruch auf der Ehrentafel „Wer den Tod im heiligen Kampfe fand, ruht auch in fremder Erde im Vaterland“ ist ein Textauszug aus dem Soldatenlied „Zum Ausmarsch“ ,Text und Melodie von A. Methfessel (1785 – 1869).
Der erste Weltkrieg begann am 28. Juli 1914. Wichtige Kriegsparteien waren die sogenannten Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn gegen die verbündeten Entente-Staaten Frankreich, Großbritannien und Russland. Im November 1918 endete der Krieg mit der militärischen Niederlage Deutschlands und seines Bündnispartners Österreich-Ungarn. Der Tod als ständiger Begleiter der Frontsoldaten wurde zum "Heldentod für das Vaterland" verklärt. Im Ersten Weltkrieg starben mehr als neun Millionen Soldaten, darunter über zwei Millionen aus Deutschland, fast 1,5 Millionen aus Österreich-Ungarn, über 1,8 Millionen aus Russland, annähernd 460.000 aus Italien. Frankreich hatte über 1,3 Millionen, Großbritannien rund 750.000 militärische Todesfälle zu beklagen. Hinzu kamen etwa 78.000 Tote aus den französischen und 180.000 Tote aus den britischen Kolonien. Die USA verloren nach ihrem Kriegseintritt im April 1917 rund 117.000 Mann in Europa. Mehr als sechs Millionen Zivilisten kamen ums Leben.
Unter dem 1871 neugegründeten Kaiserreich erfuhr die schulpolitische Entwicklung bereits 1872 durch die "Allgmeinen Bestimmungen vom 15. Oktober 1872" eine fortschrittliche Revision. Nicht mehr die einklassige Schule, sondern auch die mehrklassige sollte künftig als „normal“ gelten. Die Größe der Klassenräume wurde auf mindestens 48 qm festgesetzt. Die Kinderzahl der einklassigen Schulen unter einem Lehrer durfte nicht über 80 steigen. Die Unterrichtsfächer waren Religion, Deutsch, Rechnen und Raumlehre, Singen, Zeichnen, Realien (Vaterlands- und Naturkunde) und Turnen. Ebenfalls sollten die Lehrergehälter aufgebessert werden und die Lehrerbildung gefördert werden. Das Jahreseinkommen eines Erstlehrers betrug um das Jahr 1880 ohne die kostenlose Überlassung einer Wohnung 1050 Mark.
Es gab mit Altenrath, Birk, Breidt, Ellhausen (ab 1889), Heide, Honrath, Lohmar, Neuhonrath, Scheiderhöhe und Wahlscheid insgesamt 10 Volksschulen, davon drei evangelische Volksschulen (Wahlscheid, Heide, Honrath) und sieben katholische Volksschulen. Ab 1910 wurde in 19 Klassen Unterricht erteilt. Die Schülerzahl belief sich auf über 1150 Schülerinnen und Schüler.
Väter und Großväter hatten den Einberufenen oft in euphorischer Stimmung von dem gewonnenen Krieg 1870/71 und der schönen weiten Welt, die sie als Soldat sehen konnten, erzählt. Diese Erzählungen hatten zunächst eine gewisse Begeisterung für das Militär bei den jungen Männern ausgelöst. Sie hielt bis zur Musterung an. Als es ernst wurde und die Heimat mit dem Zug verlassen werden mußte, war – wie das Bild zeigt – Freude in den Gesichtem der Einberufenen nicht zu erkennen. Sie verließen Ehefrauen, Kinder und Eltern, die künftig wegen ihrer Abwesenheit noch härter für das tägliche Brot arbeiten mußten. Ab sofort bangte man zu Hause ständig um das Leben der Soldaten.
Medien
1919 errichteten die britischen Besatzungstruppen ein Waldlager am Ziegelfeld für ca. 1.000 Soldaten. Die Bevölkerung fühlte sich von den Besatzern unterdrückt. Über sein Verhältnis zu den Engländern berichtet Peter Büscher (Jahrgang 1901) als Zeitzeuge in einem Gespräch mit Hans Dieter Heimig, das 1983 aufgenommen wurde.
Enthalten in
Heimatwelten
Zur Übersicht