Restauration "Zur Linde" um 1900 und Kornbrennerei
Die Postkarte ist wahrscheinlich die bisher älteste Darstellung der Restauration „Zur Linde“ in Lohmar. Neben der Restauration ist noch die Waldesruh abgebildet. Beide Gebäude sind um 1890 errichtet worden. Die Lücke zwischen Waldesruh und Restauration ist noch nicht geschlossen. Dort ist um 1910 ein großer Festsaal mit kleinem Sälchen angebaut worden. Der große Saal ist leider im Winter 1958/59 abgebrannt. Auf dem Anbau an die Restauration in der Kirchstraße ist die Aufschrift „Dampf-Kornbrannt-Brennerei“ zu lesen. Zu der damaligen Zeit hatten wir zwei Kornbrennereien im Ort Lohmar. Die eine war im Gut Jabach und wurde schon im Ersten Weltkrieg aufgegeben. Dort wurde der „Jobächer“ gebrannt. Die zweite Brennerei war die von Peter Josef Knipp, der – im Volksmund – „de Knepps Fusel“ herstellte. Da die Kornbrennerei schon im Einwohnerverzeichnis von 1900 genannt wird, kann man davon ausgehen, dass sie gleichzeitig mit der Restauration gebaut wurde. Peter Josef Knipp starb 1917 mit 82 Jahren. Sein Sohn Ludwig Knipp I, der 1916 mit 37 Jahren gefallen war, wird sicherlich schon vor dem Ersten Weltkrieg die Geschäfte seines Vaters übernommen haben. Seine verwitwete Ehefrau Gertrud heiratete 1917 den Vetter ihres gefallenen Mannes Ludwig Knipp II. Damit gingen Restauration und Brennerei auf diesen über.
Eine Preisliste aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre zeigt den Brennereikomplex mit der Restauration, die die Aufschrift trägt „Restauration u. Pension Ludwig Knipp“. Ferner zeigt die Preisliste, dass Ludwig Knipp nicht nur Kornbranntwein herstellte, sondern diesen noch mit verschiedenen Essenzen verfeinerte und auch Spirituosen zukaufte, um sein Angebot zu vergrößern. Die Brennerei Knipp war kein großer Betrieb. Sie hatte die Brennrechte nur für 1611 Liter reinen Alkohol. Wegen des stetigen Geldverfalls und die im Jahre 1923 stattgefundene große Inflation konnte auch Ludwig Knipp II die Brennerei nicht mehr halten und verkaufte seine Brennrechte im Januar 1925 an die „Bröltaler Kornbrennerei Mathieu Crumbach GmbH“ (später „Bröltal-Brennerei GMBH“ Martini in Bröleck, die 1997 aufgelöst wurde). Auch die Brenneinrichtungen verkaufte er binnen einen Jahres.
Doch wie wurde eigentlich Korn gebrannt? Der auf der Pützerau wohnende Walter Schug † (Rohrmeister beim Wasserwerk Lohmar ) hat erzählt wie sein Vater, Otto Schug, nach dem Krieg "Kornbrannt" hergestellt hatte: Unter Korn verstand man die Getreidearten Weizen und Roggen. Mit Weizen hatte man eine etwas höhere Alkoholausbeute als mit Roggen. Er nahm – der Kapazität seiner Brennanlage entsprechend – 10 Pfund Kornschrot, das wegen der sog. Verkleisterung ca. eine Stunde auf 70-80° C erhitzt wurde und gab dann 3 Pfund Malz (das ist gekeimte Gerste) hinzu. Dann ließ er diese sog. Maische auf ca. 30° C abkühlen, rührte 200-300 g aufgelöste Backhefe darunter und ließ die Lösung etwa 3 Tage bei 25-30° C stehen. Wenn der Gährprozess zu Ende war, wurde zweimal gebrannt (den ersten Brennprozess nennt man „destillieren“ oder „Rohbrand“, den zweiten „rektifizieren“ oder „Feinbrand“). Beim Feinbrand werden Vorlauf und Nachlauf entfernt. Tut man das nicht, so kann man wegen des darin enthaltenen Methanols mit der Zeit erblinden. Die Übergänge kann man durch Verkosten des Destillats feststellen. Er erhielt dann 5-6 Flaschen ca. 90%igen Kornbrand, der mit Wasser entsprechend verdünnt wurde. Für mündliche und schriftliche Mitteilungen danke ich Herrn Martin Martini aus Neunkirchen-Seelscheid recht herzlich.
Information
Quellenangabe
Lohmar in alten Zeiten, Bd. 2, S. 20 - 21
Autor(en)
Hans Dieter HeimigZuletzt angesehen: | 23.04.2025, 00:27 |
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Das Foto vor 1909 zeigt das Betriebsunternehmen, den Gasthof und die Dampf- und Kornbrennerei „zur Linde“, Ecke Haupt- und Kirchstraße von Peter Josef Knipp der in der vorletzten Dekade des neunzehnten Jahrhunderts gebaut wurde.
Der Wirt erhielt bereits am 27.7.1881 die Konzession – Erlaubnisschein Nr. 3972 – eine Gast- und Schankwirtschaftohne Erweiterung und Beschränkungen im Hause 184 in Lohmar einzurichten. Das Lokal war das erste in Lohmar. Am 30.12.1909 – Erlaubnisschein Nr. 11942 – wurde die Erlaubnis erteilt, den Betrieb um einen Bühnenanbau und drei Fremdenschlafzimmer zu erweitern. Eine Zeit lang wurde auch der selbstgebrannte Schnaps, der sog. „Knepps Fusel“ ausgeschenkt. 1976 war es dann soweit, das Gebäude wurde abgerissen. Mit dem Ziel, die Ortsbildpflege durch eine dorfangemessene Gestaltung sowie Einpassung in die unmittelbare Umgebung zu gewährleisten, wurde der jetzt dort zu sehende Zweckbau erstellt.
Im Bild rechts ist in der Tür stehend Peter Josef Knipp („de Pettenösel“) zu erkennen. Das Auto, ein Daimler-Benz mit Chauffeur, gehörte Dr. Schulte. Er wohnte im Anwesen Lohmarhöhe, der „Villa Maruschka“, und war Teilhaber einer Braunkohlengewinnung und ein reicher Mann. Er hat sich später in seiner Villa erschossen.
Diese Aufnahme zeigt die Hauptstraße/Ecke Kirchstraße. Diese Ecke hat seit 1976 ein völlig verändertes Aussehen. Damals in den 1890er Jahren wurde die Gastwirtschaft und Hotel „Zur Linde“ erbaut. Auf dem Bild ist der Eingang zum Nebengebäude, dem großen Saal mit Bühne aus der Zeit vor 1929 zu erkennen, einer der Hauptveranstaltungsräume von Lohmar für größere Versammlungen und Feierlichkeiten und für viele der Vereine das Vereinslokal. 1976 wurde das Gebäude abgerissen und durch den heute städtebaulich wenig schönen Zweckbau ersetzt, ohne die architektonische Qualität des lokalen Umfelds, Hauptstraße/Ecke Kirchestraße, zu erreichen.