De Lühmere Kermeskäel (Lohmarer Kirmeskerl)
Ende August und Anfang September finden traditionell zunächst die Wahlscheider Kirmes und dann die Lohmarer Kirmes statt. Ein Höhepunkt in Wahlscheid ist das Schörreskarrenrennen am Kirmesmontag, dass 1946 der TV Wahlscheid ins Leben rief. In Lohmar ist es die Gerichtsverhandlung über den Kirmeskerl zum Ende der Kirmes. Der Brauch geht zurück in das Jahr 1912 und wurde von den Lohmarer Junggesellen bis 1960 gepflegt. Später spielte eine lebende Person als „Anton Kermesmann“ den Kirmeskerl. Ihm, auch als "Paijass" (französisch: paillasse = Strohsack, Hampelmann) bekannt, werden alle Missgeschicke und Schandtaten während der Kirmes und während des ganzen Jahres zugeschrieben, über die dann zum Kirmesende eine Gerichtsverhandlung stattfindet.
In dem Audio erzählt Bernhard Walterscheid-Müller in Mundart über das Geschehen in früheren Jahren. Der Kirmeskerl wurde als Puppe am alten Spritzenhaus am Park der Villa Friedlinde auf eine Stange gesetzt, wo er bis Kirmesdienstag auf seine Gerichtsverhandlung warten musste. Seinen späteren Stammplatz hatte der Kirmeskerl am Balkongeländer vom „Hotel zum Aggerthal“ beim Johann Schnitzler. Das Urteil lautete stets auf Todesstrafe, nur bei der Form der Hinrichtung bestand Spielraum. Mal wurde er an der Aggerbrücke oder am Rudersport im Ziegelfeld ertränkt; ein andermal wurde er verbrannt oder mit einer Guillotine geköpft.
Information
Quellenangabe
Tonkassette von Bernhard Walterscheid-Müller. Lohmarer Mundart Bd. III
Bernhard Walterscheid-Müller, Lohmarer Mundart in Reim und Prosa, 1983
Autor(en)
Bernhard Walterscheid-MüllerZuletzt angesehen: | 08.10.2024, 07:19 |
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1951
Das Plakat auf diesem Foto wirbt für die Lohmarer Kirmes am Sonntag, dem 2. bis Dienstag, dem 4.9.1951. Wahrscheinlich hing dieses Plakat im Schaufenster der Drogerie Starke, später Bekleidungsgeschäft Trapp zwischen der Post und der Gaststätte... Das Plakat auf diesem Foto wirbt für die Lohmarer Kirmes am Sonntag, dem 2. bis Dienstag, dem 4.9.1951. Wahrscheinlich hing dieses Plakat im Schaufenster der Drogerie Starke, später Bekleidungsgeschäft Trapp zwischen der Post und der Gaststätte Schnitzler (heute Lohmarer Höfe). Rudolph Starke war Drogist und Fotograf und hatte das Plakat mit Motiven von der Lohmarer Kirmes, die um diese Zeit noch auf der „Schultes Wiese“ gegenüber der Gaststätte Schnitzler stattfand, eingerahmt. Erwin Henseler, Anstreicher und Kunstmaler, konnte sich noch erinnern, dass er den Spruch unter dem Plakat seinerzeit für Rudolph Starke geschrieben hatte. Am 29. August gedenkt die Kirche der Enthauptung Johannes des Täufers, das Patrozinium der Lohmarer Pfarrkirche. Daher war immer am Sonntag nach dem 29. August Lohmarer Kirmes. Und da die Kirmes in Lohmar stets in die Erntezeit der Pflaumen/Zwetschgen fällt, ist es, so weit man sich zurückerinnern kann, in Lohmar Tradition, für die Kirmestage Pflaumenkuchen („Prommetaat“) zu backen. Die Lohmarer Kirmes war früher sehr beliebt, so dass viele Gäste aus den umliegenden Ortschaften die Kirmes besuchten. Auch war es üblich, dass die Lohmarer Familien ihre Verwandschaft zur Kirmes einluden, denen dann zum Kaffee frisch gebackene „Prommetaat“ serviert wurde. Im Vergleich zu heute war damals das Angebot der Wirte sehr groß und obwohl der Ort Lohmar weniger als die Hälfte der Einwohner hatte wie heute (im Vergleich zum Jahre 2009), waren die Säle, Zelte und Gaststätten immer überfüllt. Bei Wilhelm Schwamborn im Jägerhof war an allen Tagen Tanz im Festzelt. Sonntag ab 17.00 Uhr; Montag um 9.00 Uhr der Kirchgang des Junggesellenvereins und anschließend Frühball und ab 18.00 Uhr wieder Tanz; Dienstag ab 19.00 Schlussball. Ferner war an allen Tagen dort Preiskegeln. Bei Margarethe („Eta“) Bendermacher im Margarethenhof (heute Edeka Markt, Hauptstraße 39) wurde in den dortigen schattigen Gartenanlagen Unterhaltungsmusik geboten. Auch H. Laurentius im Hubertushof (Ecke Hauptstraße/ Auelsweg – heute Parkplatz) hatte an allen Kirmestagen Stimmung und Unterhaltungsmusik geboten. Im „Hotel zur Linde“ bei Peter Olligschläger war im großen Saal an allen Tagen großer Festball: Sonntag ab 17.00 Uhr, Montag ab 10.00 Uhr traditioneller Frühball des Männergesangvereins und ab 18.00 Uhr wieder Tanz, Dienstag war ab 19.00 Uhr Schlussball des Turnvereins 08 e.V. Bei Karl Weyer im Gasthaus „Zur alten Fähre“ war an allen Kirmestagen Unterhaltungsmusik und sonntags und montags "Großes Preiskegeln". Auch im Festzelt der Gaststätte Schnitzler war an allen Kirmestagen Tanz. Da Peter Schnitzler von Beruf Konditor war, konnte man bei ihm ganz hervorragend zu Kaffee und Kuchen („Prommetaat“ bzw. "Quetschetaat" = Pflaumen-/Zwetschgenkuchen) einkehren. Seine Gasträume waren immer „brechend voll“. Noch bis Anfang der 1950er Jahre war der Kirmesplatz auf der „Schultes Wiese“ (Hauptstraße 71), also direkt gegenüber der Gaststätte Schnitzler (heute Lohmarer Höfe). Bis Ende des Krieges am Balkongeländer und nach dem Krieg an der Fassade der neu gebauten Gaststätte saß an den Kirmestagen auf einem Stuhl eine lebensgroße Puppe, der Kirmeskerl oder Paijass. Die Kirmes begann – noch bis Ende der 1960er Jahre – immer sonntags nach der Sakramentsprozession, so gegen 10.30 Uhr. Für Montag und Dienstag hatten sich die meisten Berufstätigen Urlaub genommen. Am Montag war im Saal des „Hotel zur Linde“ und in den Zelten der sehr beliebte Frühball. Die Kirmes endete am Dienstag mit dem Schlussball. Ihm voraus ging am Nachmittag mit viel Klamauk die Verurteilung und Hinrichtung des „Paijass“, dem alle Vergehen und Schlechtigkeiten, die in dem jeweiligen Jahr in Lohmar vorgefallenen waren, angelastet wurden. Die Hinrichtung geschah dann durch Verbrennen oder Ertränken in der Agger. |